21. Januar 2021
Mit der schrittweisen Realisierung einer durchgängigen Automatisierungslösung und intelligenter Software für koordiniertes Warehousing des Systemintegrators Inther Group hat die niederländische Warenhauskette HEMA den Durchsatz in ihrem zentralen Versandzentrum deutlich erhöht und die Performance innerhalb von vier Jahren um mehr als 60 Prozent gesteigert.
Rund 750 eigene Filialen betreibt die 1926 gegründete Warenhauskette mit Sitz in Amsterdam in den Benelux-Staaten, in Dubai, Frankreich und Großbritannien, in Österreich, Spanien und, seit 2003, in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Erfolgskonzept des Traditionsunternehmens ist eine breite Produktpalette zu günstigen Preisen, die nahezu ausschließlich selbst produziert beziehungsweise exklusiv für HEMA hergestellt wird. Neben dem stationären Handel hat das Unternehmen dabei frühzeitig auf den digitalen Vertrieb via Internet gesetzt. Eine weitsichtige Entscheidung, denn das Segment, das zeigte sich mit extremen Zuwächsen der Online-Aufträge während der Corona-Pandemie, ist ein starker Wachstumstreiber. Doch bereits Mitte des vergangenen Jahrzehnts zeigte eine interne Analyse, dass die vorhandenen Lager- und Kommissionierkapazität des Zentrallagers in Utrecht kaum über das Jahr 2017 hinaus reichen würden. Daher fokussierten die HEMA-Entscheidungsträger eine Automatisierung der Prozesse und bemühten sich um einen zuverlässigen Partner für eine umfassende Lösung und langfristige Zusammenarbeit. Den Zuschlag für das Projekt erhielt der niederländische Systemintegrator Inther Group mit Stammsitz in Venray bei Venlo. „Zusammen mit der Inther Group haben wir einen Plan erstellt, um die Prozesse sukzessive zu automatisieren, so dass eine ganzheitlich integrierte Lösung entsteht”, erklärt Jeroen Dietz, Manager eCommerce im HEMA-Zentrallager Utrecht. „Wir haben schnell gemerkt, dass es große Vorteile bietet, wenn bei solch umfassenden Projekten alles aus einer Hand kommt.” Die Inther Group konnte das erfüllen.
Durchgängiges Anlagenkonzept für Automatisierung und IT
Von Utrecht aus beliefert HEMA sowohl die Filialen als auch die Online-Kunden aus Belgien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich. Mit 14.500 verschieden Artikel, die im HEMA-Logistikzentrum in Utrecht gelagert sind, deckt das Zentrallager nahezu das gesamte Sortiment von Filialen und Online-Handel, ausgenommen Frischeprodukte wie Kuchen, Wurstwaren und gefährliche Stoffe. Rund 60 bis 70 Prozent davon sind so genannte Langsamdreher. „Mit der Fertigstellung des Distributionszentrums vor zehn Jahren haben wir das Fundament für kontinuierliches Wachstum gelegt”, erklärt Caspar de Jong, Director Global Logistics bei HEMA. „Mit wachsenden Anforderungen sind immer neue Ausstattungs- und Optimierungselemente hinzugekommen.”
Mit dem gegenwärtigen Stand der Automatisierungslösung der Inther Group ist HEMA für die aktuellen Wachstumsschritte optimal gerüstet. Im Rahmen eines ganzheitlichen Optimierungsprojektes installierte die Inther Group dazu 2016 zunächst ein zweigassiges Automatisiertes Kleinteilelager (AKL) mit Miniload-System und 13.000 Behälterstellplätzen. Darüber hinaus lieferte Inther sämtliche Komponenten für die automatisierten Materialflüsse und Prozesse. Das reicht von der Fördertechnik, die alle Maschinen und Systeme miteinander verbindet, bis zu Kartonaufrichter, Etikettenapplikatoren und die automatisierten Dokumentenkuvertierer. Zur Integration und Steuerung koordinierter Auftragsabwicklungsprozesse implementierte HEMA zudem das Warehouse Control System des Systemintegrators aus Venray.
Performance von 2.400 Behältern pro Stunde
An neun festen und vier mobilen Arbeitsplätzen wird der Wareneingang im HEMA-Zentrallager kontrolliert, in Leerbehälter umgepackt und im IT-System vereinnahmt. Über die Fördertechnik erfolgt die Einlagerung in den automatisierten Lagersystemen. Aus dem Miniload-System bedienen die beiden Regalbediengeräten (RBG) eine Rollenbahn-Fördertechnik, die die Behälter als Pickbestand in die Kommissionierzone transportiert. Damit konnten 22 Schubmaststapler, die zuvor für die Nachschubversorgung eingesetzt waren, von der Kommissionierzone getrennt werden. „Dank dieses AKLs und einer zweiten Kartonverschließmaschine hatten wir genug Effizienz und Kapazität, um die Hochsaison 2017 zu überstehen“, erklärt Dietz.
Schnell zeichneten sich allein durch diesen ersten Schritt der Projektrealisierung deutliche Effizienzvorteile ab. In einem nächsten Optimierungsschritt erweiterte die Inther Group die Lagerkapazitäten bei HEMA um ein zusätzliches dreigassiges Shuttellager mit 33.000 Stellplätzen für Langsamdreher. Zudem wurden 5.000 Behälter in vier Fächer aufgeteil, um die Ressourcen optimal zu nutzen und die Kapazitäten weiter zu steigern. 75 Shuttles sind in der Anlage aktiv und bieten für die Versorgung der acht angebundenen Kommissionierplätze eine Performance von 2.400 Behältern pro Stunde. An jeder Kommissionierstation bearbeiten die Mitarbeiter parallel bis zu sechs Aufträge – „durch das Goods-to-Person-System mit einer deutlich höheren Frequenz als zuvor“, sagt Dietz. Zudem seien mit dem installierten Pick-to-Light-System an den Stationen die Kommissionierfehler deutlich reduziert worden. „Die Fehlerzahl ist jetzt extrem niedrig”, fasst Dietz zusammen.
130.000 Picks pro Tag
Schnelldreher sind im Zentrallager von HEMA gegenwärtig noch in stationären Regalanlagen gelagert und werden von den Mitarbeitern mit Kommissionierwagen kommissioniert. Die 28 Wagen bieten Stellplätze für bis zu 16 Zielbehälter, sind via Display mit dem Warehouse Control System (WCS) verbunden und mit einer Pick-to-Light-Anzeige ausgestattet. Per Displayanzeige führt das WCS die Kommissionierer wegeoptimiert an die richtigen Lagerplätze. Nach Scan des Artikelbarcodes zeigt das Picksystem den Kommissionierern, in welchen Karton sie wie viele Artikel legen sollen. Auf diese Weise kann jeder Mitarbeiter parallel bis zu sechzehn Aufträge kommissionieren. „Noch vor einem Jahr hatte dieses Distributionszentrum eine theoretische Produktivität von 110.000 Picks pro Tag“, konkretisiert HEMA-Logistikdirektor de Jong die weitere Entwicklung. Mit den Automatisierungsschritten, der Kommissionierwagen-Lösung und der intelligenten Prozesssteuerung durch die Software der Inther Group konnte HEMA die Prozesseffizienz bei der Auftragsabwicklung innerhalb der vergangenen vier Jahre deutlich verbessern. „Wir bewegen uns jetzt auf die Marke von 130.000 Picks pro Tag zu”, so de Jong.
Maßgeblicher Anteil daran entfällt auf das moderne WCS der Inther Group. „Das System wird kontinuierlich weiterentwickelt”, erklärt Martijn Herder, CEO der Inther Group. „Mit Modifikationen der Software und intelligent verbesserten Logiken können wir oft enorme Verbesserungen bei Ressourceneinsatz und Durchlaufzeit erreichen, ohne Veränderungen an der Hardware vornehmen zu müssen.” So hat die Inther Group für HEMA eine WCS-Lösung entwickelt, die unter anderem die Aufträge nach speziellen Kriterien differenziert und gewichtet, nach welchen Prioritäten die eine oder andere Kommissionierstrategie oder Einlagerung erfolgt. „Wir können jetzt im Voraus sehen, wie sich die Aufträge auf die Arbeitsbelastung in den verschiedenen Kommissionnierzonen auswirken werden”, erläutert Dietz. „Dadurch lässt sich die Auftragsfreigabe sorgfältig planen, die Arbeitslast optimal verteilen und die vorhandenen Ressourcen sind noch besser einzusetzen.” Ein anderes Beispiel ist die Zuordnung der Artikel nach A-, B- und C-Kategorien. So erstellt HEMA wöchentlich Prognosen über die Schnellläufer wird. Entsprechende Mengen vom Lagergut werden aus dem Shuttle-System entnommen und auf einem optimalen Pickplatz in den Kommissionierbereichen positioniert. „Das geht allerdings nicht immer gut“, lacht Dietz. „Als Mitte März vergangenen Jahres die erste Corona-Welle ausbrach, stieg die Nachfrage nach Reinigungsmitteln unerwartet schnell. Gegenstände, die eigentlich beharrlich im Shuttle-System lagerten, wurden plötzlich zu Schnellläufern.“
Resident Engineers als Teil der Mission
Für die kontinuierliche Pflege und Wartung der Anlage setzt HEMA zudem auf 24-Stunden-Betreuung durch Resident Engineers der Inther Group. „Das Angebot der Resident Engineers ist Teil unserer Mission, Kunden wie HEMA alle Sorgen rund um die funktionierende Intralogistik abzunehmen”, veranschaulicht Inther-CEO Herder. „Für diesen speziellen Service haben wir in den Niederlanden einen Hub mit einem Team eingerichtet, das wir ständig erweitern.”
HEMA zeigt sich mit der Zuverlässigkeit und Benutzerfreundlichkeit der gewählten Lösung von Inther gänzlich zufrieden. Die Anlage konnte sich besonders bei dem sprunghaften Anstieg der Online-Aufträge infolge der Corona-Pandemie hervorragend bewährend. Zudem waren neue Mitarbeiter, die zur Bewältigung des enorm gewachsenen Auftragsaufkommens während der Corona-Pandemie ihre Arbeitsstelle im HEMA-Distributionszentrum antraten, dank der intuitiv gestalteten Prozesse in nur zwei Tagen ausreichend geschult und eingearbeitet. Aufgrund des rasanten Wachstums infolge der Corona-Pandemie und der enormen Zunahme des eCommerce-Geschäftes befasst sich HEMA inzwischen bereits mit weiteren Kapazitätserweiterungen. „Simulationsprojekte sollen nun klären, mit welchen weiteren Lösungen wir steigende Nachfrage langfristig decken können”, resümiert HEMA-Direktor de Jong. Und in Venray ist man sich sicher, dass die Inther Group dazu Entscheidendes beitragen kann.