„Warum China, warum gerade jetzt?“ - komplettes CEO Interview

9. Dezember 2025
Unternehmen

Ein Interview mit den CEOs der Inther Group, Martijn Herder und Paul Hermsen über China – ein Land, in dem fast monatlich neue E-Commerce-Modelle entstehen und Automatisierungs-zyklen in beispielloser Geschwindigkeit voranschreiten. 

Seit 1998 ist die Inther Group als Komplettanbieter für Systemintegration bekannt und entwickelt und implementiert weltweit intelligente Materialflusslösungen. Mit Hauptsitz in den Niederlanden und Projekten in Europa, Nordamerika, Asien und Australien hat sich das Unternehmen dank seines softwarebasierten Ansatzes zu einem vertrauenswürdigen Partner in der Lagerautomatisierung entwickelt. Doch kaum ein Markt transformiert die Logistik so rasant wie China – ein Land, in dem fast monatlich neue E-Commerce-Modelle entstehen und Automatisierungszyklen in beispielloser Geschwindigkeit voranschreiten. In diesem Interview erläutern die CEOs Martijn Herder und Paul Hermsen, warum China mehr als nur ein weiterer Markt ist – es ist das Herzstück der Logistikinnovation.

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Abbildung 1. Weltweite Vertriebsbüros und Referenzen der Inther-Gruppe.

Auf der Welle des ständigen Wandels reiten
Reporter: Fangen wir mit dem großen Ganzen an – warum hat sich Inther entschieden, eine starke Präsenz in China aufzubauen und zu pflegen?
Martijn Herder: Weil sich die Logistikwelt in China am schnellsten entwickelt. Das Tempo von Innovation, Automatisierung und Wandel ist hier einzigartig. Monatlich entstehen neue Lagermodelle, Robotiklösungen und Kundenanforderungen. Für ein Unternehmen wie Inther – das auf Integration und Anpassungsfähigkeit basiert – ist China Herausforderung und Inspiration zugleich. Es hält uns auf dem Laufenden. Wir lernen hier täglich dazu, und diese Erkenntnisse fließen in unsere globalen Projekte ein. Es treibt uns zu ständiger Innovation an. Was wir in China lernen, stärkt unsere globalen Kompetenzen.

Reporter: Geht es also mehr um Lernen und Innovation als nur um Marktexpansion?
Paul Hermsen: Genau. China ist nicht nur ein Markt – es ist ein Labor für die Evolution der Logistik. Wenn das Paketvolumen jährlich Hunderte von Milliarden erreicht, entwickelt sich das gesamte Ökosystem in Höchstgeschwindigkeit weiter. Indem wir hier präsent sind, verkaufen wir nicht nur Systeme; wir bleiben den globalen Entwicklungen einen Schritt voraus.

Von der Präsenz zur Partnerschaft
Reporter: Wie hat diese Philosophie Ihre Präsenz geprägt – mittlerweile mit zwei Standorten in China?
Herder: Wir haben bescheiden angefangen, aber um den Markt wirklich bedienen zu können, brauchten wir Nähe. Shanghai kümmert sich um unsere Vertriebs- und Kundenaktivitäten, während Suzhou sich auf Entwicklung und Produktion konzentriert. Gemeinsam machen sie uns schneller und reaktionsfähiger. Es geht darum, Teil des Ökosystems zu sein, nicht nur zu beobachten. Es geht um Schnelligkeit, Flexibilität und die aktive Teilnahme am täglichen Logistikprozess.

Reporter: Inther ist schon seit Längerem in China. Welche Erkenntnisse sind Ihnen besonders wichtig?
Herder: Lokale Präsenz ist unerlässlich. In unseren ersten Projekten in China haben wir gelernt, dass die Fähigkeit, die Sprache zu sprechen, die Zeitzonen zu verstehen und Probleme vor Ort zu lösen, den entscheidenden Unterschied macht. Deshalb haben wir kontinuierlich investiert – von Servicetechnikern bis hin zu Produktionslinien – anstatt alles aus der Ferne von Europa aus zu steuern.

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Abbildung 2. Inther Group Vertriebsteam auf der CeMAT China 2025

Lokal bauen, global denken
Reporter: Was hat Sie dazu bewogen, ein Joint Venture für die Hardwarefertigung zu gründen?
Hermsen: Kontrolle und Agilität. Wir wollten die Lieferzeiten verkürzen und die Produkte an lokale Standards anpassen, ohne Kompromisse bei der Qualität einzugehen. Die Partnerschaft mit Yugasum ermöglichte uns die gemeinsame Entwicklung einer Reihe modularer Förder- und Sortieranlagen, die den Software- und Sicherheitsstandards von Inther entsprechen, aber für die lokale Produktion und die Verfügbarkeit von Komponenten optimiert sind.

Reporter: War das in erster Linie eine Kostenfrage?
Hermsen: Nicht wirklich. Kosten spielen zwar eine Rolle, aber der entscheidende Faktor war die Geschwindigkeit und die Marktanpassung. Wenn man innerhalb derselben Region entwickeln, testen und produzieren kann, verkürzen sich die Iterationszyklen drastisch. Für unsere Kunden bedeutet das eine schnellere Lieferung; für uns bedeutet es kontinuierliches Lernen. Der Fokus liegt auf Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit.

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Abbildung 3. General Motors 3D Projektbild von Anji.

Reporter: Wie beeinflusst das Joint Venture die globale Innovationspipeline von Inther?
Hermsen: Es hat sich zu einem zweiten F&E-Ökosystem entwickelt. Unsere europäischen und chinesischen Teams nutzen dieselben Kerndesignbibliotheken, passen die Hardware aber an unterschiedliche Lagerprofile an. Egal, ob ein Förderband in Venray oder Suzhou gefertigt wird, es lässt sich nahtlos in unsere Inther LC-Software integrieren – das ist die Stärke einer hybriden Systemarchitektur.

Reporter: Viele Unternehmen befürchten, dass die Konsistenz leidet, wenn sie die Produktion lokalisieren. Wie vermeiden Sie das?
Herder: Indem wir Standards heilighalten. Jede Komponente, jeder Sensor und jede SPS-Vorlage wird anhand derselben globalen Testprotokolle validiert. Unsere JV-Produkte müssen sich aus Software- und Serviceperspektive identisch mit europäischen Modulen anfühlen. Diese Konsistenz macht uns als Systemintegrator glaubwürdig.

Reporter: Wie unterscheiden sich die Logistikanforderungen in China von denen in Europa?
Herder: Der chinesische Markt entwickelt sich rasant. Kunden erwarten Skalierbarkeit, Flexibilität und einen ROI innerhalb von Monaten, nicht Jahren. Diese Denkweise prägt alles – Modularität, Plug-and-Play-Designs und die Möglichkeit, die Automatisierung schrittweise zu erweitern. Das passt perfekt zu unserer Philosophie der inkrementellen, datengestützten Verbesserung.

Reporter: Was sind einige konkrete Vorteile der lokalen Produktion?
Hermsen: Schnellere Projektabwicklung und weniger Abhängigkeiten. Das JV kann Förderbandmodule vorkonfektionieren und direkt an die Baustellen liefern. Keine Seefracht, keine Zollverzögerungen – nur sofortige Einsatzbereitschaft. Das ist entscheidend, wenn ein Einzelhändler ein System vor dem Singles’ Day, dem chinesischen Neujahr oder dem Black Friday in Betrieb nehmen möchte (insbesondere für E-Commerce-Unternehmen mit globalen Online-Kunden).

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Abbildung 4. Inther Group Hauptsitz in Venray, Niederlande.

Reporter: Wie handhaben Sie geistiges Eigentum und Qualitätskontrolle in einem solchen Modell?
Hermsen: Wir trennen Eigentum und Betrieb. Das Kern-IP – unsere Steuerungen, Schnittstellen und Designregeln – verbleibt bei Inther. Das Joint Venture konzentriert sich auf Fertigungsexzellenz und Marktanpassung innerhalb dieser Rahmenbedingungen. Die Qualitätskontrolle erfolgt über unsere gemeinsamen ERP- und Testsysteme, wodurch weltweit identische Leistungskennzahlen gewährleistet werden.

Reporter: Beeinflusst der chinesische Betrieb Projekte außerhalb Chinas?
Hermsen: Absolut. Duale Beschaffung bedeutet robustere Lieferketten für globale Kunden. Sie eröffnet auch schnellere Skalierungsmöglichkeiten im asiatisch-pazifischen Raum – keine Einfuhrzölle, kürzere Lieferzeiten und besserer Kundendienst. Das ist ein Wettbewerbsvorteil, von dem alle unsere Kunden profitieren.

Reporter: Wird das Joint Venture sein Angebot über Förderanlagen hinaus auf andere Anlagentypen ausweiten?
Hermsen: Möglicherweise, aber wir bleiben fokussiert. Wir konzentrieren uns auf standardisierte Komponenten mit hohem Durchsatz – die Bausteine ​​zuverlässiger Automatisierung. Alles, was die Wertschöpfungszeit und die Verfügbarkeit verbessert, ohne die Wartung unnötig zu verkomplizieren, fällt in unseren Fokus.

Abschließende Gedanken
Reporter: Abschließend: Wie messen Sie den Erfolg Ihrer China-Strategie?
Hermsen: An drei Dingen: Verkürzung der Durchlaufzeiten, gleichbleibende Systemleistung und lokale Innovationen, die in unsere globalen Lösungen einfließen. Wenn wir schneller liefern, die Qualität halten und die Grenzen des Machbaren erweitern können, dann ist China für uns nicht einfach nur eine weitere Region. Es ist der Motor kontinuierlicher Verbesserung.
Hermsen (abschließend): Wir sind nicht nach China gegangen, um nur zu verkaufen, sondern um uns weiterzuentwickeln. Die Logistikrevolution findet hier in Echtzeit statt.
Beide: Wer die Zukunft der Materialhandhabung mitgestalten will, muss dort sein, wo sie jeden Tag neu erfunden wird – und das ist China.

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